Teil 1: Geschichte der japanischen Räucherstäbchen – eine Reise durch tausende von Jahren

Räuchern gab es schon vor den ersten Zivilisationen. Die Geschichte des Räucherns reicht bis in die Urzeit zurück, als unsere Vorfahren das Feuer zähmten. Archäologische Funde von Räucherwerk aus Südafrika zeigen, dass der Homo Erectus bereits vor 1,5 Millionen Jahren Gebrauch vom Feuer machte. Wahrscheinlich konnte er damals nicht einmal das Feuer erzeugen oder kontrollieren.
Diese Fähigkeit erlangten unsere Vorfahren erst vor ca. 400.000 Jahren, indem sie zwei Steine aneinander schlugen oder zwei Holzstücke schnell aneinander rieben. Mit dieser Entdeckung begann die Reise in die Zivilisation und sie ist eng mit unserer kollektiven Faszination für das Räuchern verbunden.
Erstes Räucherwerk
Sobald das Feuer entzündet oder gezähmt war, mussten unsere frühen Vorfahren das Feuer Tag und Nacht am Brennen halten. Manchmal kam es vielleicht vor, dass der Wächter der Feuerstelle ein duftendes Stück Holz oder eine Handvoll aromatischer Kräuter auf das Feuer warf.
Man kann sich leicht vorstellen, dass der feine – vielleicht überraschende – Duft, der beruhigende Tanz der Flammen und der aufsteigende Rauch eine verlockende Wirkung hatten. Sie müssen die Vorstellungskraft angeregt haben und ein Nährboden für erste Gedanken über das Transzendente und Ungreifbare im Leben gewesen sein.
Entspannung und Geborgenheit am Lagerfeuer
Wahrscheinlich war es auch eine soziale Erfahrung. Die Menschen versammelten sich am Abend um das Lagerfeuer und es wurden sicher Geschichten erzählt und Lieder gesungen. Das Feuer brachte die Menschen zusammen und schenkte ihnen Geborgenheit, Wärme und Entspannung nach einem anstrengenden und wahrscheinlich gefahrvollen Tag.
Der Geruchssinn war besser geschult als beim modernen Menschen, denn er war wichtig für das Überleben. Die Menschen kannten die feine Veränderung in der Luft, die auf einen Wetterumschwung hindeutete, den Geruch von gefährlichen Tieren und den Unterschied zwischen dem Geruch von essbaren und giftigen Kräutern.
Räucherwerk für Rituale
Es ist anzunehmen, dass die Menschen bald duftende Kräuter und harzige Rinde sammelten, um sie zu verbrennen und einen bestimmten Geruch am Feuer zu erzeugen. Einer der frühesten archäologischen Nachweise hierfür stammt aus Skandinavien und ist etwa 9.200 Jahre alt. Mit dem Aufkommen der Kulturen rund um den Globus wurde das Räuchern mit duftenden Zutaten mehr und mehr verfeinert.

Das Räucherwerk wurde z.B. verwendet, um die Götter anzurufen. Sie sollten die Gebete mit dem aufsteigenden Rauch leichter hören können. Das Räuchern diente auch der Reinigung, konnte negative und unerwünschte Energien beseitigen und nach dem Tod konnte Räuchern der Seele des Verstorbenen helfen, den richtigen Weg ins Jenseits zu finden.
Die indischen Veden und das Räuchern zur Förderung der Gesundheit
Das früheste hochentwickelte Räuchern finden wir im alten Ägypten und in Indien vor 4.000 bis 5.000 Jahren. Der japanische Räucherduft hat seine Wurzeln in Indien, das von Natur aus mit einer Fülle von verschiedenen duftenden Räuchermaterialien gesegnet ist.
Vor rund 4.000 Jahren gab es im alten Indien 52 große Rishis (Seher), denen durch Meditation die Veden offenbart wurden. Was die modernen Physiker durch das Studium der Feinheiten der “äußeren” Realität heraus fanden, erkannten die Rishis durch die Erforschung der Feinheiten der inneren Realität. Es ist bemerkenswert, dass viele der Erkenntnisse der Rishis mit den neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen der modernen Quantenphysik übereinstimmen.
In den vedischen Schriften ist die gesamte Weisheit enthalten, wie die Welt und alles in ihr funktioniert. Die Veden umfassen so unterschiedliche Elemente wie Medizin, Philosophie, Wissenschaft, Spiritualität und Astronomie. Die Schriften enthielten auch das Wissen über eine gute Gesundheit. Dieses wurde in einem System zusammengefasst, das Ayurveda genannt wurde. Das Wort Ayurveda bedeutet “Leben” (Ayur) und “Weisheit” (Veda).
In der vedischen Philosophie bekommt unser Leben einen Sinn, wenn wir danach streben unsere einzigartige Berufung im Leben (unser “Programm” oder “Dharma-Ruf”) zu erfüllen. Das kann grundsätzlich am besten geschehen, wenn wir allgemein gesund sind.
Räucherduft als Medizin im Ayurveda
Grundlage des Ayurveda ist die Beobachtung, dass alles im Universum aus Energie oder “Prana” besteht. Diese Energie verändert sich ständig und basieren auf unserer Ernährung, Denkmustern, Gewohnheiten, Bewegungsmustern und die Einflüsse aus unserer Umgebung. Einige dieser Faktoren können uns aus dem Gleichgewicht bringen und Ayurveda lehrt uns, wie man das energetische Gleichgewicht wiederherstellt.
Die vedische Weisheit basiert auf der Feststellung, dass jeder von uns von Geburt an anders ist. Es gibt kein heilsames Allheilmittel, das ein bestimmtes Ungleichgewicht oder eine Krankheit bei allen Menschen heilt. Der versierte Ayurveda-Arzt ist in der Lage, die spezifischen Ungleichgewichte des Patienten zu diagnostizieren, die Gründe für Ungleichgewicht zu identifizieren und den Patienten entsprechend zu behandeln.

Ayurveda arbeitet mit drei Grundzuständen, die Dosha genannt werden und die alle im Universum zu finden sind. Sie bestehen aus verschiedenen Kombinationen der fünf Grundelemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther. Die drei Doshas sind Kapha, Pitta und Vata.
Das Gleichgewicht zwischen den drei Doshas hängt von mehreren Faktoren ab, vor allem von guten Essgewohnheiten und Bewegung, einer guten Verdauung und einer emotionalen und spirituellen Gesundheit. Wir alle bestehen aus einer Kombination von zwei oder allen drei Dosha-Typen, auch wenn oft einer von ihnen dominiert.
Um das Energiesystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen, setzt Ayurveda Kräuter ein, Musik, Ernährung, Meditation, verschiedene Formen der Bewegung und Düfte in Form von Öl und Weihrauch. Es ist die früheste bekannte Verwendung von Räucherduft als Medizin.
Räucherwerk-Karawanen
Kein Land der Welt verfügte über alle Zutaten für die Herstellung von Räucherwerk. Wenn man diesen herstellen wollte, musste man mit anderen Völkern handeln. Wir alle kennen die Seidenstraße, die früher das alte China mit dem Nahen Osten und Europa verband. Aber die ältesten Handelswege der Menschheitsgeschichte waren eigentlich Räucherrouten, die kostbare Räucherzutaten in den Nahen Osten oder nach China aus entlegenen Gebieten brachten.
Der Weg führte durch Wüstenlandschaften und unwirtliches Land, und die Entfernungen waren oft zu lang für Esel. Erst als man lernte, Kamele zu zähmen, lohnte sich der Transport der kostbaren Räucherzutaten über die langen Entfernungen, wo es keine Möglichkeit gab, Trinkwasser aufzufüllen.

Eine Weihrauchkarawane konnte aus 100 bis 400 Kamelen bestehen und sich kilometerweit in die unwirtliche Wüstenlandschaft ziehen. Eine Handelsreise konnte viele Monate dauern. Zusammen mit den Räucherzutaten wurden oft Gewürze, Edelsteine und später Seide und Brokatstoffe transportiert. Die Räucherzutaten waren kostbar, das kennen wir schon aus der Erwähnung in der Bibel, die Gold, Weihrauch und Myrrhe erwähnt. Und es ist auch heute noch so, dass einige sehr feine Qualitäten von Aloeholz mehr wert sind als Gold.
Patchouli und Sandelholz kamen aus Indien, Moschus aus Tibet, Weihrauch aus den arabischen Ländern, Aloeholz aus Südostasien usw. So war der Handel mit Räucherzutaten auch ein Symbol für friedlichen Handel und kulturellen Austausch zwischen den Nationen.
Ich bin den ganzen Tag auf meinem Pferd geritten.
Mein Körper ist wund, die Sonne hat mein Gesicht versengt.
Wir sind am Treffpunkt angekommen.
Ich rieche den sanften Duft von Weihrauch.
Nomaden haben uns gesehen und boten uns ihre Gastfreundschaft, Zelt und Schutz.
Sie werfen Weihrauch in ihre Feuerstelle und es war dieser milde kostbare Duft, der vom Wind getragen wurde, der mich überzeugte, dass ich willkommen war.
Aus Arabien
Buddha, Räucherwerk und Bewusstseinsentwicklung
Etwa 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung ist ein Quantensprung in der vedischen Tradition, da der historische Buddha, Siddhartha Gautama, in die Welt kommt und der Menschheit neue Weisheit bringt – insbesondere über die Funktionsweise des Geistes und mit präzisen Hinweisen zur Bewusstseinsentwicklung und das Erreichen der spirituellen Erleuchtung. Eine der vielen Einsichten im Buddhismus ist das Verständnis dafür, wie Räucherwerk die meditative Praxis und die Bewusstseinsentwicklung unterstützen kann.
Von Indien aus verbreitete sich der Gebrauch von Räucherwerk mit dem Buddhismus in Klöstern und Tempeln in Tibet und China und von dort nach Japan. Im Westen erstreckte sich ein hochentwickelter Gebrauch von Räucherwerk von Indien und Ägypten nach Europa. Obwohl Weihrauch in unseren Breitengraden eine gewisse Durchdringung erreichte, verwandelte sich die Faszination des Duftes hier eher in die Verwendung von Parfüm – nicht zuletzt in Frankreich.
Das Wort Parfüm stammt von dem lateinischen Ausdruck “per fumum”, was so viel wie “durch den Rauch” bedeutet und uns zeigt, dass die Verwendung von Räucherduft vor der Verwendung des wohlriechenden Kölnischwassers stand.
Im Osten blieb die Verwendung von Düften und Räucherwerk mit der Gesundheit, Meditation und Bewusstseinsentwicklung verbunden.

Räucherduft kommt nach Japan
Die Geschichte des Räucherns beginnt im Japan im Jahr 538, als der Buddhismus in Japan eingeführt wurde. Sowohl Indien, China als auch Japan waren damals Hochkulturen mit Schriftsprache und alten Traditionen – und das schon seit Jahrhunderten. Als das Räucherwerk nach Japan kam, wurde es zunächst nur in buddhistischen Ritualen verwendet. Duftendes Holz, aromatische Gewürze und Kräuter wurden in Tempeln verbrannt und so verbreitete sich das Räuchern in ganz Japan.
Das reichte bis zum kaiserlichen Hof, wo der duftende Rauch zum reinen Vergnügen verwendet wurde – man nannte es “Soradaki”, was “nutzloses Verbrennen von Räucherwerk” heißt (im Gegensatz zu “Sonae koh”, was “Räuchern für die meditative Praxis” bedeutet). Erst in der Edo-Zeit (1603 bis 1868) entwickelte sich die handwerkliche Herstellung von Räucherwerk, so dass es sich auch einfache Menschen leisten konnten, zuhause Räucherstäbchen zu verbrennen. Räuchern war von dem Zeitpunkt an wichtiger Bestandteil des alltäglichen und spirituellen Lebens in Japan – mehr als er es jemals im Westen war.
… Im wunderbaren Licht eines leicht bewölkten Mondes, der Regen hat gerade aufgehört – der Wind bewegt sich sanft und trägt den schönen Duft der Blumen.
Im ganzen Palast vermischt sich dieser Wohlgeruch mit dem zarten Duft von Räucherstäbchen und schafft eine verzauberte Atmosphäre.
Aus der Erzählung “Genji” (bedeutende Literatur Japans)
Die zehn Tugenden japanischer Räucherstäbchen
Im 15. Jahrhundert verfasste ein unbekannter japanischer Zen-Mönch zehn Tugenden, die noch heute den Geist der japanischen Wertschätzung für Räucherstäbchen ausdrücken:
- Sie bringen uns in Kontakt mit dem Nicht-Physischen im Leben.
- Sie reinigen den Geist und den Körper.
- Sie beseitigen Unreinheiten.
- Sie halten uns wach.
- Sie sind ein Freund und Begleiter, wenn man allein ist.
- Sie bringen einen Moment der Ruhe und Kontemplation in einen geschäftigen Tag.
- Auch bei großer Menge wird man nicht müde davon.
- Sogar eine kleine Menge ist zufriedenstellend.
- Sie verlieren ihre Kraft nicht – auch nicht nach längerer Lagerung.
- Selbst bei täglichem Gebrauch schaden sie nicht.
Japan bietet seit über tausend Jahren raffinierte Genüsse an Räucherduft. Da die japanische Gesellschaft wohlhabend ist und war, wurden keine wirtschaftlichen Mühen gescheut, um die besten Zutaten der Welt zu finden. Und die Japaner haben keine Mühe gescheut, die Methoden zur Extraktion und Kombination der Düfte aus den exklusiven Zutaten ständig weiter zu entwickeln.
Die Handwerkskunst wurde über viele Generationen weitergegeben und jede Generation hat neue Qualitätsstufen in der Kunst der Herstellung des edlen Räucherwerks hinzugefügt. Auch beim Genuss von Räucherstäbchen haben die Japaner die feinen Düfte zu einer Kunst erhoben. Ausgefeilte Räucherzeremonien unter Verwendung von Räucherwerk zur Meditation über eine hohe Achtsamkeit im täglichen Leben bis hin zum “Hören” von Weihrauch.
Insgesamt hat diese Verfeinerung auf allen Ebenen dazu geführt, dass das japanische Räucherwerk heute das raffinierteste und reinste der Welt ist. Es gibt mehrere hundert verschiedene japanische Räucherstäbchen in Preis und Qualität von kleinen Schachteln für ein paar Euro bis hin zu exklusiven Qualitäten für mehreren tausend Euros für eine einzige Packung.
Übersicht über die Artikelreihe:
- Einführung: Zen, Achtsamkeit & japanische Räucherstäbchen
- Geschichte der Räucherstäbchen – eine Reise durch tausende von Jahren
- Zen oder die Kunst, Räucherstäbchen zu lauschen
- Koh-Doh – die japanische Räucherstäbchen-Zeremonie
- In der Welt der Sinne oder Achtsamkeit als Kunst, die Welt so zu erleben, wie sie ist
- Japanische Räucherstäbchen im täglichen Leben
- Zutaten für Räucherstäbchen aus Japan – aus der Schatzkammer der Natur
- Die beliebtesten japanischen Räucherstäbchen